Tag 10
Gesundheitszentrum
Heute am Samstag hatten wir 3 Programmpunkte: Wir sind um 8 Uhr gestartet und sind als erstes zu einer Landwirtschaftsfläche gefahren, wo durch standortgerechten Landbau versucht wurde, möglichst effizient Nahrung anzubauen. Viele Studenten aus Mainz oder auch Koblenz kamen früher hierher, um den Landbau zu erforschen und den Landwirten vor Ort zu helfen, besser und mehr Lebensmittel anzubauen. Eine Umstellung des Anbaus war allerdings etwas problematisch, da es bei Veränderungen in der Landwirtschaft oft zu Ernteausfällen kam. So konnten die Ruander oft die Tipps der Forscher nicht vollständig umsetzen.
Uns wurde die sogenannte Kompostwirtschaft vorgestellt, bei der alle nicht benötigten Ernteabfälle direkt auf dem Feld liegen gelassen werden und direkt als Dünger für die neuen Pflanzen dienen. Als einzigen zusätzlichen Dünger wird Kuhmist oder Vulkanasche genutzt. Um eine Überflutung zu verhindern, werden an den Feldern Gräben gebaut, um das Wasser gezielt leiten zu können.
Uns wurden auch Erosionsmessanlagen gezeigt. Das waren Felder in Schräglage mit Auffangbecken am Ende, um zu erforschen, wieviel Erde durch Niederschläge abgetragen wird. Dies soll dabei helfen, die Bodenabtragung durch Erosion möglich gering zu halten, damit nicht zu viel gutes Bodenmaterial verloren geht. Mithilfe des Wassers in den Auffangbecken können die Forscher genaue Angaben darüber machen, wie ein Feld optimal bepflanzt werden soll. Das eindeutige Ergebnis war, dass Felder mit mehr Vegetation eine starke Bodenabtreibung verhindern.
Der zweite Programmpunkt heute war der Besuch eines Gesundheitszentrums, wo wir erst eine Einführung von einer deutschen Chirurgin bekommen haben, die das Zentrum leitet. Sie erzählte uns, dass sich in solchen Zentren um alles gekümmert wird über Kinderuntersuchungen, Impfungen und auch Schwangerschaftsprävention. Auch kleine chirurgische Eingriffe, wie Knochenbrüche oder Kaiserschnitte können vorgenommen werden. Die Ruander haben seit einigen Jahren außerdem eine Pflichtkrankenversicherung, die sie 3 Euro im Jahr kostet. Dies ist für ärmere Leute jedoch auch eine Herausforderung, weswegen deren Versicherung von Fonds übernommen wird, damit jedem eine medizinische Grundversorgung zur Verfügung steht. Das Gesundheitszentrum, welches wir besucht haben, ist für circa 27 000 Leute zuständig und es werden 60– 100 Leute am Wochenende behandelt und bis zu 200 unter der Woche. Die Ärztin wird unterstützt von 15 Krankenschwestern, die allerdings nicht alle für uns typischen Krankenschwesteraufgaben übernehmen. So kommen die meisten Patienten mit einer Begleitperson, die sich während der Zeit des Aufenthalts um den Patienten kümmert, ihn reinigt, Essen zubereitet und ihn auch zur Toilette begleitet. Der Schwerpunkt dieses Zentrums lag bei der Behandlung von Kinderkrankheiten, wie angeborene Fehlstellungen der Füße oder ein Wasserkopf. Bei unserer Besichtigungstour durch das Gesundheitszentrum wurden uns auch Neugeborene gezeigt, auch welche, die an einem Wasserkopf leiden. Diese werden operiert und ein Schlauch leitet das Wasser aus dem Kopf in den Bauchraum, um das Gehirn zu entlasten und ihnen trotzdem ein beschwerdefreies Leben zu ermöglichen. Bei unserem Rundgang wurde uns auch der Wartebereich gezeigt, in dem die Identitätsüberprüfung der Patienten erfolgt. Da in dem Zentrum auch Aufklärung über Corona, Malaria, Hygiene und Unterernährung erfolgt, gab es auch einen Beratungsraum und einen Testbereich.
Als nächstes haben wir das Labor angeschaut, in dem Malaria- oder Durchfallerkrankungen untersucht werden und auch Leber-,Nieren- und Blutuntersuchungen erfolgen. Die Geräte dazu werden zu einem Drittel durch Sponsoren aus Deutschland finanziert, zu einen Drittel von der Regierung Ruandas und zu dem letzten Drittel von den Erstattungen der Krankenkasse. Zur Stromversorgung wird auch Solarenergie genutzt. Es gab auch Waschmaschinen zur Reinigung von medizinischer Kleidung, da die Reinigung von Hand, vor allem während der HIV Krise nicht ausreichend war. Krankheiten wie HIV oder Malaria wurden in den letzten Jahren mithilfe von ausreichend Aufklärung und Medikamenten stark eingedämmt und auch Coronavirus ist besiegt worden durch Tests, Impfungen und Masken. Ruanda hat damals sehr früh reagiert und einen Lockdown verhängt und mittlerweile sind 70% der Bevölkerung zweimal geimpft. Gegen Ende unseres Rundgangs haben wir noch eine Drohne gesehen, die gerade ein Notfallmedikamentenpaket abgeworfen hat. Solche Drohnen werden eingesetzt, um Leuten zu helfen, die abseits der Straßen, ohne ausreichende Infrastruktur, leben. Denn ein Krankenwagen könnte diese nicht rechtzeitig oder gar nicht erreichen. Drohnen machen es allerdings möglich, in kurzer Zeit viele Leute zu versorgen.
Abschließend haben wir uns die Häuser der armen Leute angeschaut, die um das Gesundheitszentrum herum leben. Viele sind ehemalige Patienten der Ärztin und bekommen alle zwei Wochen ein Versorgungspaket mit Lebensmitteln. Vier der Häuser waren von dem SGG finanziert und uns wurde gezeigt, wie die Leute darin leben und oft nur zwei Zimmer zur Verfügung haben mit einer Schlafmatte aus Stroh für 4 Personen und ohne Wasseranschluss. Die Häuser waren oft aus Lehm gebaut und hatten ein Dach aus Wellblech, da Strohdächer seit circa 20 Jahren aufgrund der Brandgefahr verboten wurden. Jedes neue Haus muss an eine Straße gebaut werden, um eine Stromversorgung zu gewährleisten und auch eine Erreichbarkeit zu garantieren. Erschreckenderweise sind uns viele Kinder mit Blähbäuchen begegnet, welche die Folge von einseitiger Ernährung oder auch Wurmerkrankungen sind. Die einzigen Nahrungsmittel jeden Tag sind Reis und Bohnen und die Leute essen davon nur einmal am Tag, um möglichst lange damit zu überleben. Dies zu sehen war sehr bewegend und hat uns alle zum Nachdenken angeregt. Es hat unser Weltbild in Bezug auf Dankbarkeit und Bewusstsein über unseren Besitz stark verändert und uns ist klar geworden, wieviele Möglichkeiten wir im Leben haben und dass wir dadurch sehr privilegiert sind. Das war das erste Mal, dass wir wirklich auch mal die armen Leute gesehen haben, die eher durch das System fallen und nicht wahrgenommen werden. Dieser Tag wird uns immer in Erinnerung bleiben und wir werden ihn nicht so schnell vergessen.